Ankreiden – mit Kreide gegen Belästigung

Gastbeitrag

zum Get!t-Themenmonat #GetFeminist von Julia Schulze

Ein Pfeifen auf dem Nachhauseweg, ein „nett gemeintes“ Kompliment im Club oder eine abstoßende Aufforderung zu sexueller Interaktion – so gut wie jede Frau* hat mindestens schon eines dieser Dinge erlebt und kaum eine würde behaupten, es habe ihr gefallen. Derartige Äußerungen zählen zu Catcalling. Es bezeichnet sexualisiertes Rufen, Reden, Pfeifen oder sonstige Laute im öffentlichen Raum, gewöhnlich von Männern gegenüber weiblich gelesener Personen und ist eine Form der verbalen sexualisierten Belästigung, allerdings noch nicht strafbar. 

Wenn etwas noch nicht nach Gesetzbuch strafbar ist, kommt oftmals Zivilcourage von Betroffenen oder Solidarisierenden ins Spiel. Bei dem Thema Catcalling ist die wohl bekannteste Form dagegen vorzugehen, das Ankreiden. 

Beim Ankreiden gibt es eine kleine Gruppe von Aktivist*innen, die im Namen der Betroffenen die öffentlichen Plätze zurückerobern, denn die Frauen* können ihnen, meistens über Instagram, ihre Geschichte schreiben. Sie schildern den genauen Vorfall des Catcalls, besonders wichtig ist dabei, was der Täter gesagt hat und wo er es gesagt hat. Anschließend geht das Team der Ankreiden Aktion an den besagten Ort und schreibt dort ein kurzes Zitat oder die Tat mit Kreide auf den Boden zusammen mit dem Namen der Instagramseite der Aktivist*innen und einem Hashtag. 

Die Bewegung kommt aus den USA

Solche Instagramseiten gibt es mittlerweile für so gut wie jede größere Stadt in Deutschland und sogar weltweit. Die ursprüngliche Idee des Ankreidens kommt nämlich aus New York, wo die Studentin Sophie Sandberg 2016 wegen ihren eigenen Erfahrungen den ersten Chalk-Back Account ins Leben rief. „Chalk back“ ist angelehnt an das englische „talk back“, also widersprechen oder wehren. Ziel des Ganzen ist es das generelle Thema zu enttabuisieren und die Menschen dafür sensibilisieren, damit es nicht mehr als normal angesehen wird, ungefragt angesprochen zu werden. Die Accounts in Deutschland wachsen stetig weiter und haben meist mehrere Tausend Follower, wie zum Beispiel der von Hannover mit 19 Tausend oder die von München und Berlin mit je neun Tausend. Um offiziell Teil der Chalk-Back Bewegung zu sein, müssen sich die Interessierten erst registrieren und verifizieren, damit man sichergehen kann, dass sie den Auftrag und die Botschaft der Bewegung authentisch und verantwortlich umsetzen.

Die Reaktionen sind nicht immer positiv

Die Reaktionen auf das Ankreiden sind sehr unterschiedlich. Einige sind mit der Bewegung vertraut und die Aktivist*innen erhalten Zuspruch, andere kennen es nicht, sind aber interessiert und stellen Fragen. Wie aber bei jedem politischen Thema gibt es auch hier negative Antworten. Vor allem im Netz sind die durch die Anonymität sehr stark vertreten. Doch die Ankreidenden versuchen stets aufzuklären, denn schließlich sind die Vorfälle im öffentlichen Raum passiert und sollten dort auch angeprangert und diskutiert werden. 

Es gab sogar auch schon Vorfälle bei denen die Polizei die Schriftzüge entfernen ließ, weil Passant*innen sich davon gestört fühlten. Wie im Dezember 2020 in Augsburg vor dem Rathaus. Der Catcall beinhaltete rassistische Äußerungen und wurde deswegen aufgrund von fehlendem Hintergrundwissen seitens der Polizei entfernt, obwohl sowohl „Triggerwarnung“ darüber als auch der Hashtag „#bekämpftrassismus“ und der Instagramaccount der Aktivist*innen darunter standen. Vorfälle wie diese kommen leider auch nicht selten vor.

Trotz, dass es die Ankreiden Bewegung und viele weitere Aktionen gegen Catcalling bereits seit Jahren gibt, bleibt es weiter ungestraft. Doch das muss sich ändern, denn wenn Frauen* sich draußen nicht sicher fühlen oder nicht das tragen können, was sie möchten, ist es nicht die Schuld der Frauen*, sondern die der Täter. Deswegen unterstützt eure lokalen @catcallsof-Seiten, klärt auf und glaubt den Betroffenen.

Quellen:

Aufklärung durch Ankreiden (26.11.2021)
Chalk back: Wie junge Menschen sexuelle Belästigung ankreiden (26.11.2021)
Catcalling (26.11.2021)

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