Wie konntest du nur?!

Kriminalgeschichte

Von: Kolya

RING! RING! Amy McCarter nahm den Hörer ab und sagte etwas müde: „Kriminalpolizei Stuttgart, was ist geschehen?“ Amy hatte einen guten Grund schläfrig zu sein, immerhin war es schon 23:30 Uhr und die Kaffeemaschine war kaputt, weswegen sie nur noch Tee trank. „Es, es ist schrecklich“, stöhnte eine Frauenstimme aus dem Hörer, „es ist MORD!“ Die Hauptkommissarin Amy verschluckte sich an ihrem Tee und verschüttete ihn fast über ihren gesamten Arbeitsplatz. „Mord? Wo sind Sie? Wer sind Sie?“ Auf einmal war Amy hellwach. „Ich, ich bin die Sekretärin von Herr Geißner, der (eine kurze Pause trat ein) jetzt wohl nicht mehr lebt“, antwortete die Frau etwas bedrückt. „Wo können wir Sie finden?“, wiederholte Amy laut. Die Sekretärin gab ein kurzes Schniefen von sich und sagte dann kleinlaut: „An der Seestraße 18, unterstes Stockwerk.“

Die Hauptkommissarin trommelte eine Mannschaft zusammen und fuhr in Windeseile zur Seestraße 18, welches sich als das neuerbaute Geschäftshochhaus herausstellte. Amy verschaffte sich einen Überblick vom Tatort. Eigentlich sah alles normal aus, bis auf die Leiche von Herr Geißner, die mitten im Raum lag. Herr Geißner hatte einen Blutstreifen rund um den Hals, ein Kollege klärte Amy auf: „Er wurde mit einem Draht erdrosselt.“ Amys Blick fiel wieder auf die Leiche. „Ziemlich schreckliche Art zu sterben. Gibt es irgendwelche Hinweise auf den Mörder?“ Der Polizist rückte seine Brille gerade und sagte dann: „Wir haben Fingerabdrücke gefunden, sie gehören der Sekretärin.“ – „Sonst noch was?“, fragte Amy weiter. „Am Tatort befinden sich Haare von einer noch unbekannten Person, mehr haben wir noch nicht herausgefunden“, sagte er. Amy wurde auf das Diensttelefon von Herrn Geißner aufmerksam: „Lasst den Verlauf des Telefons abchecken, in der Zwischenzeit befrage ich unsere Sekretärin.“

Amy verließ den Tatort, ging den Gang entlang und bog links in das Zimmer ein, wo Herr Geißners Sekretärin von einem Psychiater behandelt wurde. Amy begann mit dem Verhör, indem sie den Psychiater vor die Tür setzte. Dann sagte sie: „Wie heißen Sie mit vollem Namen?“ „Tina van Breck“, antwortete die Frau kalt. „Wo waren Sie, als er ermordet wurde?“, fuhr Amy fort. „Warte, Sie glauben, ich hätte ihn ermordet?“, gab Tina sauer zurück. „Nur weil Sie angerufen haben, sind Sie nicht gleich raus aus der Sache. Also, wo waren Sie?“, wiederholte Amy die Frage. „Ich war im 3. Stockwerk und habe Formulare ausgedruckt. Sie finden bestimmt jemanden der mich gesehen hat.“ Tina nahm einen Schluck Kaffee. „Ach wie gerne hätte ich jetzt auch einen Kaffee, schon seit Tagen trinke ich nur Tee“, dachte Amy, ließ sich aber ihr Verlangen nach Kaffee nicht anmerken, sie musste mit dem Verhör weiter machen: „Wie viel Uhr war es, als Sie die Leiche gefunden haben?“ „23:30 Uhr, das können sie sich doch denken. Ich habe Sie ja sofort angerufen“, gab Tina schnippisch zurück. „Haben Sie eine Ahnung“, begann Amy eine weitere Frage, wurde jedoch unterbrochen, als der Kollege vom Tatort die Tür öffnete: „Wir haben herausgekriegt, wem die Haare gehören.“ Amy sah Tina ein letztes Mal an und sagte dann: „Wie Sie hören, werde ich gebraucht, aber keine Sorge, wir überprüfen Ihr Alibi schon.“ Dann verließ sie ohne ein weiteres Wort den Raum.

Als sie draußen waren, sprudelten die Informationen nur so aus dem Polizisten vom Tatort: „Also, die Haare gehören einem gewissen Geschäftsmann namens Christoph Meier. Er hat 3 Jahre wegen körperlicher Gewalt an seinem eigenen Sohn im Gefängnis verbracht. Mittlerweile lebt er aber bei seinem Sohn, der ihm wohl alles verziehen hat, in der Eichenstraße 7.“ – „Habt ihr das Telefon abgecheckt?“, erwiderte Amy. „Ja, und 2 Stunden zuvor hat Herr Geißner Christoph Meier angerufen!“ Amy gähnte herzhaft und sagte dann: „Gut gemacht, als nächstes überprüfst du bitte, ob irgendein Mitarbeiter im 3. Stock eine gewisse Tina van Breck am Drucker gesehen hat. Morgen erstattest du mir bitte Bericht, hier ist meine Handynummer.“ Amy gab dem Kollegen einen Zettel mit ein paar Zahlen darauf und ging in Richtung Ausgang. „Ok, und was machst du?!“, rief der Kollege ihr etwas perplex hinterher. Amy blieb stehen und brüllte dann in Richtung Kollege: „Ich geh jetzt erstmal schlafen und morgen schau ich an der Eichenstraße 7 vorbei.“ Damit wendete sie sich ab, ging durch den Ausgang und stieg in eine Straßenbahn ein, die an einer Haltestelle vor dem Gebäude hielt.

Als sie am nächsten Tag an der besagten Adresse mit ihrem Auto ankam und klingelte, machte ihr ein junger Mann mit blonden Haaren und schlankem Körper auf. „Ah, du musst der Sohn von Christoph Meier sein“, sagte Amy höflich, „Ich bin von der Polizei und würde gerne einmal mit Christoph sprechen.“ „Hey Dad, komm mal eben, ist dringend“, rief Christophs Sohn in die Wohnung. Wenig später kam Christoph an die Tür, als er Amy mit ihrer Ausrüstung sah, schaute er etwas verwundert, fing sich jedoch schnell wieder und sagte dann ebenfalls höflich: „Kommen Sie doch herein.“ Daraufhin gingen die beiden Männer in die Wohnung und Amy folgte ihnen. Sie setzte sich auf einen Stuhl gegenüber der Couch, wo Christoph und sein Sohn Platz genommen hatten. Amy begann wieder das Verhör: „Herr Meier, kennen Sie einen gewissen Herrn Geißner?“ – „Phillip Geißner? Wir haben eine Firma betrieben, aber er hat mich betrogen und belogen, mir mein Geld aus der Tasche gezogen, deswegen bin ich gerade im Rechtsstreit mit ihm. Wieso, ist was mit ihm passiert?“ fragte Herr Meier etwas verwundert.

„Herr Geißner ist letzte Nacht ermordet worden. Wir haben Haare von Ihnen am Tatort gefunden, außerdem hat Herr Geißner Sie 2 Stunden zuvor angerufen.“ Meiers Sohn erschrak und rief: „Dad, das hast du nicht gemacht, oder? Bitte sag mir, dass du damit nichts zu tun hast!“ – „Ich, ich, nein natürlich habe ich ihn nicht um die Ecke gebracht!“, antwortete Herr Meier schrill. Amy fuhr mit dem Verhör fort: „Wo waren Sie zwischen 23:00 Uhr und 24:00 Uhr?“, Herr Meier guckte etwas geistesabwesend durch den Raum und sagte dann wieder ruhiger: „Ich war in einer Bar, in der Nähe des Schlossparks. Sie heißt „die Wohlfühloase“.“ „Kann das jemand bezeugen, Dad?!“, unterbrach ihn sein Sohn. „Ja, Georg war bei mir“, erwiderte der. Amys Blick fiel wieder auf das Telefon: „Haben Sie Georgs Nummer?“ „Na klar. Er ist schließlich mein bester Freund. Hier ist sie“, antwortete er, jetzt wieder sicher klingender. Amy tippte die Nummer auf ihrem Smart Phone ein und rief an. An das Telefon kam ein sehr müd wirkender Mann. Amy machte Georg klar wer sie ist und leierte dann wie von einem Tonband herunter: „Wo waren Sie zwischen 23:00 Uhr und 24:00 Uhr?“ Georg antwortete verdutzt: „Ich kann mich nicht erinnern, das Letzte, was ich weiß, ist, dass ich gestern Nacht todmüde in meinem Bett eingeschlafen bin.“ „Georg sag mir jetzt bitte nicht, dass du einen Rausch hattest, ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht so viel trinken!“, brüllte Herr Meier verbittert. „Hey, tut mir echt leid, aber ich erinnere mich echt an nichts mehr. Außerdem, wieso bist du eigentlich bei der Polizei?“ Doch da hatte Herr Meier vor Wut schon aufgelegt.

Herr Meier sah sehr enttäuscht aus, doch plötzlich erhellte sich seine Miene wieder: „Der Barkeeper! Der hat mich auch gesehen und der hat ganz sicher nichts getrunken.“ Genau in dem Moment rief der Kollege vom Tatort an: „Wir haben das Alibi von Tina van Breck überprüft und es stimmt. Gleich mehrere konnten die Geschichte von ihr bestätigen.“ „Gut, dann fahr mal in die Bar „Wohlfühloase“ und frag die Barkeeper, ob letzte Nacht ein Mann namens Christoph Müller mit seinem Freund Georg an einem der Tische saß“, und damit legte sie wieder auf. Dann wandte sie sich wieder Herrn Müller und seinem Sohn zu und sagte zum Sohn: „Wieso hast du deinem Vater eigentlich verziehen?“ Damit warf sie ihn aus der Bahn und er brauchte eine ganze Weile, damit er sich wieder fing. Doch dann rückte er doch noch mit Informationen raus, auch wenn er sehr angesäuert klang: „Dad war es nicht, Mom hat mich geschlagen, nicht Dad, aber auf mich hat ja niemand gehört. Ich war nur das kleine arme Schwein…“ „Ich glaube es ist jetzt besser, wenn Sie gehen“, merkte Herr Meier nett an. Amy sah ein, dass er Recht hatte und kurz darauf war sie wieder auf den Straßen von Stuttgart, wo sie die Informationen verarbeitete.

Mittlerweile stand die Sonne schon wieder tief am Himmel, weswegen sie nach Hause fuhr und sich ins Bett legte. Allerdings konnte sie nicht einschlafen. Der Fall schien sie mehr mitzunehmen, als sie gedacht hatte. Schließlich fand sie aber doch noch ein paar Stunden Schlaf. Als sie aufwachte und sich Müsli machen wollte, machte es RING, RING, es war mal wieder ihr Handy, das klingelte. Amy musste es erst suchen, da sie immer ihre Sachen verlegte. „Wo kann es nur sein?“, brummelte sie vor sich hin, doch schließlich fand sie es unter einem Sofakissen. Sie ging ran. Dieses Mal war ein anderer Polizist am Telefon, er teilte ihr mit, dass sie alle Barkeeper befragt hätten, allerdings hatte keiner Herrn Meiers Alibi bestätigt. Zurzeit waren aber auch noch 2 Barkeeper im Urlaub, weswegen Herrn Meiers Alibi noch möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich war. Nach dem Gespräch mit dem Polizisten hielt Amy Urlaub für eine klasse Idee. Sie könnte wilde Partys feiern, einfach mal loslassen und so weiter, doch als sie Urlaub genommen hatte, hatte sie irgendwie doch keine Lust auf Feiern. Der Fall beschäftigte sie. Der Junge tat ihr leid, er war noch so jung gewesen und wurde nicht beachtet. Ein Tag verstrich und sie hatte bisher genau Null von ihrem Urlaub gehabt. Deswegen zwang sie sich, ihre Freundin Jaqueline einzuladen, doch auch das machte es nicht besser, weswegen sie ihren Urlaub aufhob.

Sobald es sich rumgesprochen hatte, dass Amy wieder im Dienst war, klingelte ihr Telefon. Dieses Mal war wieder der alte Kollege am Apparat: „Die letzten beiden Barkeeper sind wieder da und einer der beiden hat tatsächlich für Meier ausgesagt!“ Irgendwie war Amy froh und traurig: „Na toll, jetzt haben wir gar keinen Verdächtigen mehr.“ Sie legte auf, doch plötzlich kam ihr ein Gedankenblitz: „Ich weiß, wer der Täter ist!“ In Windeseile fuhr sie mit einem noch größeren Team zu einem Haus und klopfte. Herr Meier machte auf, sofort stürmten schwer bewaffnete Polizisten das Haus, darunter auch Amy. Sie blieb allerdings kurz stehen und sagte Herrn Meier, dass er in ein Polizeiauto einsteigen soll. Dann rannte sie auch ins Haus und dann sah sie ihn auf der Terrasse stehen. Als Herr Meiers Sohn sie sah, rannte er weg und sprang über den Zaun. Amy brüllte: „Hier ist er!“ Auch Amy rannte durch den Garten und sprang über den Zaun. Doch sie hatte ihn verloren, sie streifte durch den nahegelegenen Wald. Plötzlich kam hinter einem Baum Herr Meiers Sohn hervor und er hatte einen Knüppel in der Hand. Er holte Schwung und in der Not wusste Amy sich nicht anders zu helfen und zückte ihre Pistole. Sie schoss ihm mit einem gezielten Schuss in den Arm. „Aaaahhhh“, schrie der daraufhin auf und sank zu Boden.

Weitere Polizisten kamen aus der Richtung des Hauses, umzingelten den Verletzten, legten ihm Handschellen an und führten ihn ab. Er wurde mit einem Krankenwagen, wo er behandelt wurde, in Untersuchungshaft gefahren. Amy und Herr Meier waren bei ihm. „Aber, aber wieso Julius?“, fragte der Vater seinen Sohn. Doch Amy klärte ihn auf: „Wegen Ihnen. Er hat gemerkt, dass Sie betrogen wurden und wollte Ihnen das Problem aus dem Weg räumen. Seitdem Sie fälschlicherweise in das Gefängnis gekommen sind, hielt er wohl sehr viel von Ihnen, weil Sie ihn beschützen wollten und sorgte dafür, dass Sie es im Leben leicht haben. Die Frage ist nur, wie sind Ihre Haare an den Tatort gekommen?“ Anscheinend hatte Julius aufgegeben, denn er löste die gesamte Geschichte trotz seiner Schmerzen auf: „Ich habe einen Anzug getragen, der sonst in Krankenhäusern verwendet wird. Ich habe behauptet, dass ich eine sehr schlimme Allergie hätte, worauf mich eine Mitarbeiterin rein ließ. Allerdings habe ich den Anzug zuhause angezogen, weswegen ich wohl Haare von dir an meinem Anzug hatte.“

Eine Woche später: Amy sitzt mal wieder in der Wache und liest Zeitung, als sie umblättert findet sie einen Artikel zu Julius. Sie liest vor: „Julius Meier wurde wegen Mordes zu 6 Jahren Haft verurteilt.“ Und auch dieses Mal war Amy froh und traurig zugleich.

Bildquelle: https://pxhere.com/en/photo/875911

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