Kommentar (subjektiv)
Aktualisierung am: 19.11.2020
Generell gesehen finde ich Gendern eine ziemlich gute Sache. Ich meine, Gleichberechtigung und Respekt vor allen Geschlechtern und so, das klingt ja alles erst mal sehr sozial und gesellschaftlich fortschrittlich und so ein großer Aufwand scheint es ja auch nicht zu sein. Aber in der Umsetzung… sieht es schon wieder ganz anders aus. Theorie und Praxis, ne?
Mündlich geht es ja noch. Da kann man wählen zwischen „Studenten und Studentinnen“, „Student-Innen“ und die etwas weniger verbreitete Variante „Studenten-Sternchen/Schrägstrich-Studentinnen“. Es klingt, wenn man es ohne Zögern oder übermäßiger Betonung einfach im normalen Gesprächsfluss sagt, nicht unangebracht, hölzern oder sonst irgendwie komisch. Schriftlich jedoch… Da habe ich die Auswahl zwischen:
- Studenten und Studentinnen (etwas lang)
- StudentInnen (da fehlt jetzt was vom Studenten)
- Student*innen (wieder wurde der arme Student verstümmelt, aber hier soll das Gendersternchen wenigstens alle Geschlechter ansprechen und nicht nur m/f)
- Student_innen, /innen, .innen, :innen, °innen (da ist für jede*_/.:°n was dabei)
- Student(innen) (wie gesagt: Verstümmelung, aber diesmal bei beiden [Ist ja schon fast wieder neutral und gleichberechtigt])
Sowie in bestimmten Kreisen diverse Abkürzungen:
- SuS (Schüler und Schülerinnen)
Wie soll man sich da denn bitteschön entscheiden?! Und wie soll der Text danach noch einigermaßen lesbar sein? Und am schlimmsten ist es ja, wenn man dann erst am Ende eines Artikels merkt: Oh, ich hätte ja auch gendern können. Hm. Und nun? Arbeite ich den ganzen Text jetzt nochmal durch und hänge mich an Fragen wie : „Bürgersteig“ oder „BürgerInnensteig“ auf?? Ich saß wegen so etwas schon des öfteren vor einem Artikel und habe mich der Einfachheit halber für gar nichts entschieden und das Gendern einfach weggelassen (und mich mit dem Vorhaben herausgeredet, irgendwann einmal einen Beitrag über Gendern zu verfassen, um das schlechte Karma wieder wettzumachen).
Es ist und bleibt eben eine Tatsache: wenn man Gendern nicht gewohnt ist und kein gesamtes Gender-Wörterbuch auswendig kennt, ist es nun mal ein Aufwand. Und klingen tuts am Ende auch nicht besser. Selbstverständlich könnte man jetzt auch total professionell daherkommen und es gar nicht erst zum Gender-Problem kommen lassen. Das geht, ehrlich:
Bsp.:
Frau Dr. Schmitt trat ans Rednerpult.
→ Frau Dr. Schmitt trat ans Redepult.Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Grundkurses Business English können sich die Hälfte der Kosten von ihrem Arbeitgeber erstatten lassen.
→Alle, die an einem Grundkurs Business English teilnehmen, können sich die Hälfte der Kosten von ihrem Unternehmen erstatten lassen.
Der Vorsitzende / die Vorsitzende lädt zu den monatlichen Teamtreffen ein.
→ Die Vorsitzenden laden zu den monatlichen Teamtreffen ein.geschicktgendern.de/tipps-und-tricks
Museumsbesucher müssen Taschen und Mäntel im Untergeschoss einschließen.
→ Bitte schließen Sie Ihre Taschen und Mäntel im Untergeschoss ein.
Außerdem gibt es noch diese Schreibweise des generischen Femininums, wo man einfach nur „Studentinnen“ schreibt, aber da reagieren gewisse Mitglieder unserer Gesellschaft bisweilen etwas verblüfft.
Ein schönes Beispiel: Einmal hängte Herr Clement im Bio-Raum ein Schild auf: „Lehrerinnen sollen bitte nach der letzten Stunde die Stühle hochstellen“. Manche der Lehrer hatten sich nicht wirklich angesprochen gefühlt und somit bezweifelt, ob sie jetzt wirklich die Stühle hochstellen sollten. Was hätten die Lehrerinnen gedacht, hätte auf dem Schild „Lehrer sollen bitte nach der letzten Stunde die Stühle hochstellen“ gestanden? Hätten sie die Stühle stehen lassen?
In diesem Sinne kann man wohl sagen, dass Gendern ein gewisses Gleichgewicht generiert- und zwar sowohl für das Femininum also auch für das Maskulinum. Es gilt, alles möglichst neutral zu halten, und das ist ja auch nichts schlechtes. Leider werden dabei, wie oben schon erwähnt, manche der maskulinen Begriffe etwas verstümmelt, was Mann aber nun doch nicht so toll findet (trotz aller Befürworterei des Genderns). Ist halt nicht neutral.
Aber mal ehrlich: die Frauen haben sich auch nie darüber beschwert, dass bei Berichten über den neuesten Terrorismus immer nur von den „Terroristen“ und nie den „TerroristInnen“ gesprochen wird. Auch bei Mord und Totschlag, Schwarzfahrerei oder sonstigen Verbrechen: weder „MörderInnen“ noch „TotschlägerInnen“, „SchwarzfahrerInnen“ oder „VerbrecherInnen“. So viel also zum Thema Feminismus.
Wie bei allem kann man es mit dem Gendern aber auch übertreiben. Klar ist es wichtig, wenn man versucht, alle Geschlechter gleichberechtigt anzusprechen, aber wenn man sich zu sehr darauf fokussiert oder ständig korrigiert, wird es für alle anderen schnell einfach nur nervig. Was ich ja zumindest bei Textdokumenten immer noch für die beste Variante halte: abwechselnd den femininen und den maskulinen Begriff verwenden und am Anfang kurz drauf hinweisen. Fertig ist die Laube. Da kann man schön lesen, ohne ständig über irgendwelche Sternchen zu stolpern und alle sind zufrieden.
Anmerkung: Diese Variante des Genderns in Textdokumenten habe ich in meinem Praktikumsbericht erfolglos versucht, anzuwenden. KorrekturleserInnen bezeichneten es als „nett gemeint, aber absolut verwirrend“. Ich solle statt dessen das „In(nen)“ verwenden. Bei meinem Einwand, dass dann aber manchmal was vom maskulinen Begriff weggeschnitten wird, konterten sie damit, dass, wenn man „ModeratorInnen“ schreiben würde, das „en“ von „Moderatoren“ am Ende doch noch da sei, da das „Inn“ nur eingeschoben werde.
Link zum Weiterlesen:
Quellen:
- https://schreibagentur.at/online-magazin/richtig-gendern-gaengige-schreibweisen-im-ueberblick/
- https://geschicktgendern.de
- https://de.wikipedia.org/wiki/Gendersternchen
- Beitragsbild: „Eigentümer*innen“ by mkorsakov is licensed under CC BY-NC-SA 2.0