Gastbeitrag: Lucia Totzauer
Freitagmittag – noch zwei Tage bis zur Bundestagswahl – doch an der Kaleidoskop wurden schon 147 Stimmen abgegeben. Das entsprach bei 174 Wahlberechtigten einer Wahlbeteiligung von 84%! Ausgenommen der Freien Wähler bekamen hier alle etablierten Parteien Zweitstimmen. Darunter ist eindeutig als Gewinnerin Die Linke mit 45,6% (!) auszumachen. Zweitstärkste Kraft unter den Wahlbeteiligten an der Kaleidoskop-Schule sind die Grünen. Was für ein unglaubliches Ergebnis – wie würde wohl ein Deutschland aussehen, in dem eine so starke Linke Realität ist?
Bundesweit sind bei den unter 18-Jährigen bei der Juniorwahl des Bundestages die Grünen mit 20,6% ganz vorn zu finden, dicht gefolgt von der SPD mit 19,4%. Die Linke ist mit 7,6% anders zu verorten. Betrachtet man den Zuwachs an Stimmen für die einzelnen Parteien, ist eine weitere Gewinnerin (bundesweit) zu benennen: die FDP (+9,7%) (vgl. juniorwahl.de/juniorwahl-btw-2021.html)
Woher der neue Hype um die FDP? Es kann (und sollte) wohl nicht ausschließlich an der Ästhetik von mit Schwarz-weiß-Filtern bearbeiteten Fotos von Christian Lindner liegen. Begriffe, wie soziale Marktwirtschaft, Freiheit, Eigenverantwortung und Leistung sind auf der Webseite der FDP zentral und scheinen eine gewisse Anziehungskraft und Übereinstimmung auszulösen (vgl. fdp.de/unsere-werte).
Schließlich nicht zu vergessen sind wie bei der „echten“ Wahl die Wahlhelfer:innen, welche die Durchführung der Wahl mit ermöglicht haben. Zwei von ihnen geben ein kurzes Statement zum vergangenen Freitag:
Es hat echt Spaß gemacht und es fühlte sich wie eine echte Wahl an.
Runa
Mir hat es auch Spaß gemacht, ich würde gerne wieder Wahlhelferin sein.
Hannah
Um sich abschließend die Siegerin der Wahl hier noch ein bisschen genauer anzusehen: Auf dem Erfurter Parteitag beschloss die Linke, der Präambel ihres Parteiprogramms ein Gedicht von Bertold Brecht voranzustellen (vgl. die-linke.de/partei/programm). Es heißt
Fragen eines lesenden Arbeiters
Wer baute das siebentorige Theben? In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? Und das mehrmals zerstörte Babylon Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute? Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war Die Maurer? Das große Rom Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie? Über wen Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis Brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang Die Ersaufenden nach ihren Sklaven. Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich? Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte Untergegangen war. Weinte sonst niemand? Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer Siegte außer ihm? Jede Seite ein Sieg. Wer kochte den Siegesschmaus? Alle zehn Jahre ein großer Mann. Wer bezahlte die Spesen? So viele Berichte. So viele Fragen.
(Werkausgabe Edition Suhrkamp, Frankfurt/Main 1967, Auflage 1990 – Bd. 9 — https://archiv2017.die-linke.de/partei/dokumente/programm-der-partei-die-linke/bertolt-brecht-fragen-eines-lesenden-arbeiters/)