Framing – Wie Sprache unser Denken steuert

Von der ehemaligen stellv. Chefredakteurin Lilou

Hintergrund (objektiv)

Was sind Frames?

Dass ein Glas „halb voll“ ist oder „halb leer“, beschreibt den gleichen Zustand. Genau so ist es bei „85% fettfrei“ oder „15% Fett enthalten“. Trotzdem sagt uns die Werbung lieber, dass das Produkt zu ganzen 85% fettfrei ist. Warum?

Wir verbinden Fett wahrscheinlich mit Begriffen wie „ungesund“ und „schädlich“. Fett ist schlecht- wir wollen nichts mit Fett haben. Wenn dagegen etwas „fettfrei“ ist, verbinden wir es mit gesund und dass es gut für uns ist. Fettfrei ist also ein positiv besetzter Begriff. Wir wollen daher etwas Fettfreies und werden es eher als das „15% Prozent Fett enthalten“-Produkt kaufen.

Die Dinge, womit wir Begriffe verbinden, nennt man Frames, übersetzt „Rahmen“. In diesem Deutungsrahmen stehen alle Dinge, die wir damit verbinden, was dieser Begriff für uns heißt, wie in einer Mind Map. Wenn wir bei unserem Beispiel „Fett“ bleiben, gibt es Dinge, die vermutlich in jedem Frame stehen, wie „Nahrungsstoff“ und „Butter“. Aber jeder hat seinen eigen Frame, je nach Erfahrungen und Wissen. Z.B. wird ein Professor, der sich mit Fetten beschäftigt, Dinge wir „Lipiden“ in seinem Frame haben, oder ein Mensch, der mal ein Stück Butter gegessen hat und ihm davon schlecht geworden ist, wird „Übelkeit“ mit Fett verbinden. Solche Sachen sind von Person zu Person unterschiedlich.

Jedes Wort hat einen Frame, da der Frame ja einfach nur die Bedeutung des Begriffes ist. So funktioniert unser Gehirn, wir denken in Frames bzw. in Sprache. Wenn wir an „Nagel“ denken, überlegt unser Gehirn, wie man hämmert. Wenn wir an „Wanderung“ denken, überlegt das Gehirn, wie man geht. Das tut es, weil wir diese Begriffe miteinander verbinden.

Was ist Framing?

„Framing bedeutet, einige Aspekte einer wahrgenommenen Realität auszuwählen und sie in einem Text so hervorzuheben, dass eine bestimmte Problemdefinition, kausale Interpretation, moralische Bewertung und/oder Handlungsempfehlung für den beschriebenen Gegenstand gefördert wird.“

– Robert Entman: Framing: ,Towards a Clarification of a Fractured Paradigm. Journal of Communication, 1993
Ein Praxisbeispiel:

Eine Werbefirma will ein Produkt als gesund und toll darstellen. Also wird die Werbefirma für das Produkt Wörter und Formulierungen einbauen, die diesen Eindruck vermitteln. Das könnte dann so aussehen:

Unser Müsli soll Sie stärkend durch den Tag bringen, durch fett- und zuckerarme Inhaltsstoffe werden Sie das Müsli ganz neu erleben. Beim Kauf von zwei Packungen bekommen Sie eine gratis dazu.

Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber trotzdem finden sich in dieser Werbung Begriffe, die das Produkt bewusst als ganz toll darstellen sollen. Jetzt könnt ihr kurz darüber nachdenken, welche das sind.

Lösung:

stärkend: Kräftig, gesund, energiegeladen. Message: Das Produkt ist gut für dich und stärkt dich.

fett- und zuckerarm: Zucker und Fett gelten als schlecht und ungesund. Wenn das Produkt arm daran ist, ist es gut für den Verbraucher.

neu: Modernes ist etwas, das viele Menschen wollen – und genau das soll das Produkt verkörpern.

erleben: Das Produkt ist etwas Aufregendes, Spannendes, was man erlebt.

gratis: Gratis ist gut. Wenn wir etwas geschenkt, also gratis bekommen, finden wir das lohnenswert. Daran, dass das gar nicht stimmt, da man ja doch für das Müsli bezahlen muss, denkt der Konsument oft gar nicht.

In der Werbung wird oft mit Framing gearbeitet, aber auch in vielen anderen Bereichen. Wenn jemand zum Beispiel sagt, man soll etwas als Herausforderung sehen, anstatt als Problem. Die Sache bleibt diesselbe, aber man versucht, mit Sprache ein bestimmtes Bild zu erzeugen.

Was ist mit Framing in der Politik?

Hier könnte man das Beispiel des Klimawandels nehmen, denn hierfür gibt es mehrere Bezeichnungen:

Klima-Wandel, Klima-Krise, Klima-Katastrophe usw. Jedes dieser Wörter hat eine andere Bedeutung bzw. einen anderen Frame, und kann somit unterschiedlich geframed werden:

Ein Wandel ist nicht unbedingt negativ und kann sogar positiv sein. Eine Krise dagegen ist eine schwere und gefährliche Situation, in der man sich befindet. Eine Katastrophe ist etwas Verhehrendes und Furchtbares; man denkt oft an eine Naturkatastrophe und vielleicht sogar an Tote. All diese Begriffe sind an sich richtig, setzen aber eben einen anderen Interpretationsrahmen.

Etwas, das wir ebenfalls in der Politik finden, sind euphemistische Begriffe, also Begriffe, die beschönigen und damit auch verschleiernd wirken sollen. Dabei kann man beispielsweise einen Blick auf die Unwörter des Jahres werfen. Beispielsweise „Begrüßungszentrum“, was als Begriff für ein Auffanglager für afrikanische Geflüchtete verwendet wurde.

Wenn wir uns das Wort „Auffanglager“ ansehen, fällt das Wort „Lager“ negativ auf. Wenn es um Menschen geht, ist „Lager“ kein sonderlich schöner Begriff. Ein Lager ist ja normalerweise ein Lagerraum, wo systematisch Sachen eingelagert werden. „Zentrum“ klingt dabei viel schöner: Etwas Zentrales, das man vielleicht aus Begriffen wie „Firmenzentrale“ oder „Stadtzentrum“ kennt; ein zentraler Punkt. „Begrüßung“ ist auch ein sehr angenehmer Begriff: Begrüßung, da denken wir an Gäste, die man mit Freude oder einem Stück Kuchen begrüßt.

Bei „Begrüßungszentrum“ ist also die eigentliche Bedeutung des verwendeten Begriffes anders, eine Begrüßung ist etwas anderes, als jemanden aufzufangen bzw. abzufangen. Es ist ein sehr beschönigter Ausdruck von „Auffanglager“, der die eigentliche Bedeutung verschleiern soll.

Eine weitere Art von Framing, die wir in der Politik finden, sind Wortneuschöpfungen in Form von Komposita (zusammengesetzte Substantive), zum Beispiel „Asyltourismus“. „Tourismus“ ist etwas Schönes, man verbindet es mit „Urlaub“, „Entspannung“, irgendwo hinzugehen, um es sich gut gehen zu lassen. Wenn wir das mit dem Wort „Asyl“ verbinden, wird dem Begriff eine neue Bedeutung gegeben, nämlich, dass ein Asylsuchender eigentlich herkommt, um zu entspannen und es sich gut gehen zu lassen.

Ist Framing gut oder schlecht? Ein Kommentar von Lilou

(subjektiv)

Wir denken in Frames, und sie zu nutzen, ist eine Möglichkeit, die uns die Sprache bietet. Wenn wir jemandem etwas schonend beibringen wollen, möchten wir eher angenehme, euphemistische Begriffe verwenden.

Was wir uns aber vor allem fragen müssen, ist, ob wir völlig neutral sprechen könnten, wenn wir es wollten. Wenn wir nochmal auf das Beispiel vom Anfang schauen (ist das Glas halb voll oder leer): Je nachdem, was wir nehmen, machen wir einen anderen Eindruck. Alles, was wir sagen, hat eine Bedeutung- egal, ob wir es bewusst oder unbewusst einsetzen.

In der Politik sehe ich Framing problematisch – gerade solche, die verschleiernd wirken. Die Wahlprogramme der Parteien sind oft unverständlich und es ist die Aufgabe von Journalisten und Journalistinnen, solche Formulierungen zu erkennen, zu übersetzen und nicht nur so stehen zu lassen. Aber klar ist auch, dass Politiker solche Begriffe verwenden, weil sie funktionieren.

Frames können nicht verschwinden, und Framing auch nicht, aber wir sollten uns der Bedeutung von Sprache bewusst sein und anfangen, zu erkennen, was unser Gegenüber uns wirklich sagt.

Literaturempfehlung:

Wer mehr zum Thema Framing und insbesondere politisches Framing wissen möchte, kann das gut verständliche Buch „Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht“ von Elisabeth Wehling lesen. Dies kann man einfach bestellen über die Bundeszentrale für politische Bildung (kurz: BpB).

Quellen:

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