Gastbeitrag von Maja D. & Lotte P. – gemeinsam mit Wolf
Vorurteile! Sie entstehen, wenn ein Sachurteil mit einem Welturteil verknüpft und dann veralIgemeinert wird. In alltäglichen Worten: Vorurteile sind vorschnell getroffene Urteile, die sich auf das Auftreten und Aussehen einer Person oder Sache beziehen. Vorurteile sind die bösen Stimmchen in unseren Köpfen, wenn wir eine Person mit ungestylten Haar und unordentlichen Klamotten sehen und uns das Übrige dazu denken.
In letzter Zeit hatten wir, zwei Schülerinnen der achten Klasse, das Projekt „Vorurteile“ in Ethik und uns eingehend damit beschäftigt. Als Endprodukt dieses Themas haben wir ein Interview mit einem beeinträchtigten Kind geführt, welches wir später noch vorstellen werden. Zuerst wollen wir euch mit Vorurteilen, die beeinträchtigten Kindern oft entgegengebracht werden, vertraut machen. Eine Freundin, welche wir zu diesem Thema befragt haben, sagte, dass es ihr leidtue, das beeinträchtigte Kinder in den meisten Fällen keinen Sport als Hobby, ausüben können.
Sie persönlich brauche ihren Sport zum Abreagieren und fragt sich, was beeinträchtigte Personen tun, um sich vom Stress des Alltags zu erholen. Aber vielleicht erfahren sie ja gar nicht so viel Stress im Alltag, wer weiß ? Immerhin werden sie immer überall hingefahren und führen ein ziemlich frostloses Lebens, um noch ein weiteres Vorurteil zu nennen.
Da wir uns mit einem beeinträchtigten Kind. welches noch zur Schule geht, beschäftigt haben, kam noch ein Vorurteil bei uns auf: Nützt es beeinträchtigten Kindern, zur Schule zu gehen?
Um zu sehen, ob sich diese wenigen, der vielen möglichen Vorurteile, die man gegen beeinträchtigte Personen bzw. Kinder hat oder haben kann, tatsächlich zum Ausdruck gebracht werden, haben wir uns mit einem beeinträchtigten Kind unterhalten. Wolfgang, von allen nur Wolf genannt, hat ungeborenes CMV und eine dyskinetische Bewegungsstörung mit einer generellen Entwicklungsverzögerung. Um das mit einfachen Worten zu sagen: Wolf sitzt im Rollstuhl und redet nicht besonders deutlich. Tatsächlich war es gar nicht schwer,
ein Interview mit ihm zu bekommen, denn Maja kennt ihn noch von früher. Damals hat Maja mit ihrer Familie in der Wohnung neben ihm und seiner Familie gewohnt. Auch jetzt noch hat Majas Mutter eine gute Freundschaft zu Wolfs Mutter. Deshalb dachten wir beide gleich an ihn, als wir beschlossen, ein Interview mit einer Person, die tagtäglich oder sehr häufig mit Vorurteilen konfrontiert ist, zu führen. Damals dachten wir noch, dass Wolf bestimmt sehr viel mit Vorurteilen zu tun hat. Und mit dieser Aussage tauchen, wir nun ein in unser Interview.
Was uns sehr wichtig war, ist, erstmal über Wolfs Leben aufzuklären. Besonders an der Umgebung hängt, welche und wieviele Vorurteile einer Person begegnen. Wolf ist 12 Jahre alt und geht, wie jedes Kind seines Alters auf eine Schule. Unsere erste Frage war daher, ob er eine besondere Schule für beeinträchtigte Menschen geht oder auf eine „ganz normale” wie unsere. Wie wir erfahren haben, geht Wolf auf eine spezielle Schule, die aber ganz normalen Schulstoff behandelt und wo er allerdings mit anderen beeinträchtigten Kindern zusammen lernt. Dort hat er einen besten Freund und auch vier Andere zählt er zu seinem Freundeskreis. Passend zum Thema haben wir ihn gefragt, welches Fach ihm besonders Spaß mache. Dieses sei Mathe. Laut eigener Aussage (die auf jeden Fall wahr ist, Maja hat ihn mal beim Rechnen zugehört) ist er ein „Mathe Ass“. Sein zweitliebstes Fach ist Musik. Wolf wohnt inzwischen in einem Pflegeheim in Weimar, was seinen Tagesablauf nach der Schule noch interessanter macht. Nach der Schule wird er zurück ins Heim gefahren, dort ist er dann gegen 16:30 Uhr. Auch Hobbys hat er – eines davon ist Keybordspielen. Er hat sogar eines in seinem Zimmer stehen. Auch sonst bleibt er meist in seinem Zimmer und spielt dort, bis es Abendessen gibt. Bereits um 20:00 Uhr geht es für Wolf ins Bett.
Erst vor Kurzem hat er noch bei sich zu Hause gewohnt und deshalb den Kontrast zum Pflegeheim sehr stark mitbekommen. Auch danach haben wir ihn gefragt. Wolf findet es, wie wir erfahren haben, zu Hause oder auch bei seinen Großeltern schöner, weil sich da einfach mehr Leute um ihn kümmern können. Im Heim ist immer genau eine Person für ihn zuständig, während zu Hause gleich Zwei für ihn da sind.
Wir hoffen, dass ihr einen Einblick in das Leben vom Wolf bekommen habt, denn nun geht es um die Fragen, die sich um weitere Vorurteilen drehen. Bevor wir uns mit drei speziellen Vorurteilen beschäftigen, fragen wir Wolf zuerst, ob ihm gegenüber überhaupt schon einmal ein oder mehrere Vorurteile geäußert wurden. Seine Antwort darauf: Nein. Das hat uns etwas überrascht. Trotzdem war das eine wichtige Info für uns.
Inwiefern beeinträchtigt dich deine Beeinträchtigung, war unsere nächste Frage. Seine Antwort darauf:
„Ich bin traurig, wenn ich sehe, wie andere Kinder Fußball spielen und weiß, dass ich das nie können werde.“
Wolf
Auch kann Wolf nirgendwo allein hingehen, also gibt es für ihn kein Treffen mit Freunden zum Eisessen. Er wird immer gefahren, in speziellen Autos, und muss in der Schule Fahrstuhl fahren. Kommen wir nun zu unserer Auswertung.
Bewahrheiten sich die Vorurteile, die wir am Anfang unseres Textes vorgestellt haben oder trägt unser Interview zum Abbau dieser bei? Beantworten wir diese Frage doch geordnet und fangen beim ersten Vorurteil an.
Sind beeinträchtigte Kinder wirklich zu bemitleiden. wenn sie keinen Sport ausüben können? Wie wir erfahren haben, hat Wolf andere Hobbys, vermisst es allerdings, Fußball zu spielen. Wir haben ihn nachträglich näher dazu befragt und er meinte, dass er Fußball eher als Beispiel für den Gebrauch seiner Beine benutzt hat. Jede Person hat einen anderen Charakter und wo für unsere Freundin, die uns dieses Vorurteil genannt hat, ihr Sport essentiell ist, braucht Wolf vielleicht eher das Keyboardspielen oder das Rechnen, welches er auch außerschulisch macht.
Unser nächstes, oben genanntes, Vorurteil ist, dass Beeinträchtigte ja den ganzen Tag nichts zu tun haben und sich überall hinfahren lassen. Wir haben durch unser Interview Wolfs Leben näher kennengelernt und finden, dass, auch wenn sein Tag nicht so vollgestopft ist, wie beispielsweise unserer, er ein äußerst erfülltes und schönes Leben führt. Auch dieses Vorurteil ist vom Inhalt
her nicht zutreffend.
Das letzte unserer drei möglichen Vorurteile, die man gegen Beeinträchtigte haben kann, ist, ob es beeinträchtigten Kindern etwas nützt, zur Schule zu gehen. Dieses wird unserer Meinung nach mit unserem Gespräch mit Wolf vollkommen widerlegt. Wie wir bereits erfahren haben, ist Wolf sehr gut in Mathe und will vielleicht einen Job in dieser Richtung einschlagen. Warum sollte man die Welt nicht um einen Mathematiker bereichern, nur weil er im Rollstuhl sitzt?
Warum wir diese drei Vorurteile nun inhaltlich vollkommen wiederlegt haben, hat den einfachen Grund, dass wir zeigen wollten, dass sie einfach nicht der Wahrheit entsprechen. Das ist eine gute Methode zum Abbauen von Vorurteilen, jedoch bei weitem nicht die einzige. Ein wichtiger Schritt ist immer, sich zu fragen, warum man diese Vorurteile entwickelt hat.
Wir hoffen, unser kleines Interview lehrt euch Leser*innen genauso viel, wie es uns gelehrt hat und behaltet dieses, vieleicht neu gewonnene, Wissen über Vorurteile immer griffbereit.
Bild ist lizenzfrei von pexels